Wenn man den Teenager heute in ihrer Umgebung betrachtet, so bringt man ihre Vorgeschichte wohl kaum mit der Southside Riverdales in Verbindung. Viel eher vermutet man einen protzigen Range Rover als Geburtstagsgeschenk, verschiedene Kindermädchen die ihre Erziehung übernommen haben und ein nettes großes Haus auf der Northside in dem sie ihre Kindheit verbrachte. Das ihr Leben in Wahrheit vom Pech verfolgt scheint und sie sich selbst mehr als nur verkorkst beschreiben würde, denkt man einfach nicht von ihr. Doch fangen wir von vorne an, denn unsere Geschichte beginnt mitten im Sommer 00’. Bereits seit Wochen überschwemmte eine Hitzewelle die idyllische Kleinstadt, was die Einwohner jedoch nicht davon abhielt sich in Scharen am Sweetwater River im kühlen Blau zu tummeln. Abseits der überfüllten Plätze, südlich des Zentrums inmitten von heruntergekommenen Wohnblocks und trostlosen Lagerhallen durchbrach der erste Schrei eines Neugeborenen die vermeintliche morgendliche Stille des Sunnyside Trailer Parks. Beinahe als hätte das kleine hilflose Bündel bereits damals geahnt, was für ein Leben es einmal erwarten würde. Viel zu früh in diese grausame Welt gestoßen war es als ein Wunder zu bezeichnen das es ohne weitere ärztliche Hilfe und nur durch das Laienwissen der eigenen Mutter das Wochenbett überlebte. Victoria als Wunschkind zu bezeichnen wäre eindeutig nicht richtig gewesen, doch sie war wohl der letzte verzweifelte Versuch ihrer Mutter ihren bis heute mehr oder weniger unbekannten Erzeuger an sich zu binden, welcher bereits kurz nach Bekanntgabe der freudigen Botschaft aus dem Leben der Familie Delany verschwunden war. Ein herber Reinfall also für die überforderte junge Frau, welche sich plötzlich alleine mit zwei Bälgern wiederfand, die aus ihrer Sicht überhaupt erst für ihr Leiden verantwortlich waren. Meist waren Gedanken wie diese lediglich ihren depressiven Phasen zu verschulden, während sie kurz darauf bereits wieder vollkommen in Manie versank. Zu allem Überfluss war Julie Delany bereits seit Jahren schwere Alkoholikerin und kaum in der Lage sich selbst, geschweige denn ihre Kinder zu versorgen. Es war also nicht verwunderlich, dass der älteste Spross bereits in jungen Jahren nicht nur die Verantwortung für seine Schwester, sondern gleich für die ganze Familie übernahm. Eine wirkliche Wahl gab es nie, lieber schlug man sich alleine auf der Southside durch, als das die Behörden auf die Geschwister aufmerksam werden würden und sie womöglich trennten. Im Grunde konnte man Torys Kindheit jedoch nicht einmal wirklich als ausschließlich schlecht bezeichnen, schließlich gab es sehr wohl Augenblicke, in denen sich das kleine blonde Mädchen wie das glücklichste Kind der Welt fühlte. Sei es bei dem Wochenendausflug in einen Wildwasserpark oder dem darauffolgenden Road Trip durch den halben County gewesen. Es gab einige dieser Erinnerungen, die das Mädchen stolz in der Schule erzählen konnte, doch kaum jemand ahnte etwas von dessen Schattenseiten. In Wahrheit hatte Julie die Kinder nämlich im Park vergessen und die beiden Geschwister mussten per Anhalter zurück nachhause fahren, nachdem sie einen Parkwächter mit Müh und Not davon überzeugt hatten, dass ihre Eltern am Eingang des Freizeitparks auf sie warten würden. Vorkommnisse wie diese waren kein Einzelfall, manchmal tauchte Julie wochenlang unter, nur um nach ihrer Rückkehr tagelang abgeschottet in Selbstmitleid zu versinken. Medikamente kategorisch ablehnend war das Einzige, dass sie zu sich nahm das flüssige Gift, welches ihr irgendwann zum Verhängnis werden sollte. Victoria müsste gerade einmal in der Grundschule gewesen sein, als sie den ersten Selbstmordversuch ihrer Mutter miterlebte. Nicht der Erste und sicherlich auch nicht Letzte, doch der Erste bei dem das Mädchen vollkommen auf sich alleine gestellt war. Einfach nur Kind sein gab es für die Delany Geschwister nie. Denn trotz der Überfürsorglichkeit die Torys Bruder ihr entgegenbrachte, konnte er das Mädchen nicht vor allen schlechten Dingen auf dieser Welt beschützten; schon gar nicht, wenn es in den eigenen vier Wänden passierte. Sich in eine naive Traumwelt flüchten, verbrachte der Wirbelwind die meiste Zeit ihrer Kindheit und Jugend außerhalb des Ortes, der sich ihr zu Hause nannte. Selbst als sie älter wurde und sich die Rechnungen begannen nur so vor dem Trailer zu stapeln, wollte die Blondine den Worten ihres Bruders Glauben schenken, dass sie sich bald keine Sorgen mehr darübermachen müssten. Anfangs stimmte es sogar, die Mahnungen wurden weniger und die Probleme rückten erneut in die Ferne. Jedenfalls bis sich Tory nach der Festnahme ihres Bruders, der von nun an die nächsten Jahre im Schoße der Justiz verbringen durfte, selbst damit auseinandersetzten musste. Plötzlich gab es niemanden mehr der ihr dabei half die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Niemanden der die Schläge der stetig wechselnden Lebenspartner ihrer Mutter abwehrte und vor allem niemanden mehr der sich um die Finanzen kümmerte. Selbst die Serpents, dessen schwarzes Blut bereits in den Adern ihrer Mutter geflossen war, hatten nach der Verhaftung ihres Bruders Abstand genommen. Viel zu Eitel war Julie Delany um dessen Hilfe auch nur in Erwägung zu ziehen - bis zu diesem Zeitpunkt hatten ihre Ersparnisse schließlich stets für billige Spirituosen ausgereicht. Victoria die sich anfangs noch an kleinen Taschendiebstählen versuchte, stellte schnell fest, wie viel mehr man doch mit einem hübschen Gesicht und etwas schauspielerischem Talent erreichen konnte. Schon immer hatte die Blondine eine Affinität dazu Geschichten so zu erzählen, dass sie am Ende mit einem Vorteil aus der Situation herausging. Selbst sich selbst war es einfacher zu belügen. Sich vorzugaukeln, ihr Vater wäre ein reicher Industrieller, welcher einige glückliche Monate zusammen mit ihrer Mutter verbrachte, es schlussendlich jedoch nicht übers Herz brachte seine todkranke Frau zu verlassen, war schmerzfreier als die Wahrheit. Zwar half ihr diese Lüge durch ihre Kindheit, doch noch lange nicht ihre stetig wachsenden Probleme zu vergessen. Ihre Gefühle beginnend mit allem zu betäuben, dass ihr – sei es auch nur für wenige Stunden – vorgaukelte glücklich zu sein, rückte ihr Traum einmal diese Stadt zu verlassen und auf ein College zu gehen immer weiter in den Hintergrund. Wie hätte sie auch ahnen können, dass hinter ihrem kleinen Märchen doch ein Fünkchen Wahrheit steckte? Ausgelöst durch das erneute verschwinden ihrer Mutter seit mittlerweile mehr als sechs Monaten und ihr Auftauchen in einem Krankenhaus einer meilenweit entfernten Stadt, wurde das Jugendamt letztlich doch auf den Teenager aufmerksam und recherchierte nach näheren Angehörigen, bei denen Victoria eine Weil unterkommen könnte. Von Beginn an wissend, dass es niemanden gab der sich für sie verantwortlich fühlen würde, versuchte sie bereits ihre Vorzeitige Mündigkeit zu beantragen, als sie letztlich diese ihr bisheriges Leben vollkommen auf den Kopf stellende Nachricht ereilte. Scheinbar hatte man tatsächlich die Familie ihres Erzeugers ausfindig machen können. Vollkommen desinteressiert also kurz darauf in Begleitung einer Sozialarbeiterin vor der Türschwelle ihrer Großeltern auftauchend beantragten diese das sofortige Sorgerecht für ihre Enkelin. Es war ein Leichtes die Einwilligung des Richters zu bekommen bei ihrer familiären Vorgeschichte. Doch nicht nur ein Umzug folgte zur Mitte des letzten Schuljahres für Tory, sondern auch ein Schulwechsel an das elitäre Stonewall Prep waren die Folge. Ihre Vergangenheit auf der Southside nun endlich hinter sich lassen könnend, könnte man meinen ihr Leben habe sich endlich zum Guten gewendet doch weit gefehlt.